Horst Götze vom Logistik-Kanal: Ein Insiderblick in die Logistik – Warum jeder Fahrer unsere Wertschätzung verdient.
„Danke an jeden Fahrer, der dazu beiträgt, das Land am Laufen zu halten.“ – Horst Götze
Horst Götze ist Disponent in einem mittelständischen Transportunternehmen und betreibt zudem einen erfolgreichen YouTube-Kanal rund um die Logistik. Mit seiner Fachkompetenz und Klarheit gibt er uns Einblicke in einen Sektor, der essentiell für unsere Wirtschaft ist. In unserem Gespräch teilt Horst seine Erfahrungen aus dem täglichen Logistikgeschäft und beleuchtet die Herausforderungen und Chancen der Branche
Lucas: Grüß dich Horst. Könntest du dich für unsere Leser kurz vorstellen? So mancher könnte deine Stimme schon mal auf YouTube gehört haben, ohne den Mann dahinter zu kennen.
Horst: Guten Tag Lucas – Ja, mein Name ist Horst und ich bin Leiter der Disposition Deutschland in einem mittelständischen Transportunternehmen, das sich auf den Transport von Kunstgegenständen spezialisiert hat.
Zusätzlich betreibe ich als eine Art Hobby den Logistik-Kanal auf Youtube. Aktuell zähle ich 63.000 Abonnenten. In diesem Kanal behandele ich Themen wie die benötigten Materialien für die Schule oder Belange, die LKW-Fahrer interessieren. Das reicht von praktischen Pausenbrot-Ideen bis hin zu aktuellen Neuerungen und politischen Themen wie der bevorstehenden Mauterhöhung zum 1. Dezember.
Lucas: Wie kam es dazu, einen Bildungskanal zu starten?
Horst: Das war eher Zufall. Die Corona-Pandemie hat meine Arbeit in der Kunst- und Kulturgut-Spedition stark beeinflusst. Museen und Galerien wurden geschlossen, was zu einem Umsatzrückgang von etwa 90% führte. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich Kurzarbeit erlebt, was anfangs noch recht interessant war. Doch nach den ersten beiden Wochen wurde es langweilig. Ich wollte nicht den ganzen Tag untätig sein. So kam mir die Idee eines YouTube Kanals. Ursprünglich wollte ich Inhalte für LKW-Fahrer erstellen, da es dazu kaum gute Informationen gab. Mit der Zeit habe ich jedoch auch kulturelle Themen aufgegriffen. Man könnte sagen, dass dieser Kanal durch Corona entstanden ist. Ohne die Pandemie hätte es das vermutlich nicht gegeben.
Lucas: Du betreibst den Kanal also “ehrenamtlich”?
Horst: Ja, das könnte man so sagen. Meine Frau kümmert sich um die Animation, während ich mich um die Themen und das Schreiben der Skripte kümmere. Der Aufwand für mich ist überschaubar, aber meine Frau investiert mehr Zeit. Wir machen das alles unentgeltlich. In unseren Videos bitten wir nicht um Spenden. Allerdings verdienen wir auch Geld damit. Das kann ich offen sagen. Werbung wird in den Videos geschaltet, wodurch etwas Einkommen generiert wird. Zudem arbeiten wir gelegentlich mit Kooperationspartnern zusammen, was zusätzliche Einnahmen bringt und unsere Kosten deckt. Es lässt sich sagen, dass man zwar nicht reich davon wird, aber wenn man Spaß daran hat, ist es den Aufwand wert.
Lucas: Wie entwickelt sich der Kanal weiter? Kannst du darüber sprechen?
Horst: Natürlich. Der Kanal wächst weiter, und ich hoffe, dass noch mehr Menschen davon profitieren können. Es macht mir Freude, Wissen zu vermitteln und interessante Themen anzugehen. Es gibt also noch viel zu erwarten!
Auf jeden Fall kann ich sagen, dass es nicht weniger wird. Wir werden definitiv weitermachen. Ich erhalte regelmäßig E-Mails von Zuschauern mit vielen Themenvorschlägen und auch Fragen, ob wir so weitermachen werden. Einige äußern Bedenken, dass vielleicht die Motivation nachlassen könnte. Aber davon sind wir meiner Meinung nach weit entfernt. Der Plan ist, in diese Richtung fortzufahren. Zu Beginn der Corona-Pandemie haben wir wöchentlich Videos veröffentlicht, aber jetzt, da wir wieder voll berufstätig sind, ist das zu viel Aufwand. Wir haben uns entschieden, alle zwei Wochen Videos hochzuladen. Es könnte sein, dass wir irgendwann wieder zu wöchentlichen Uploads zurückkehren – aber das kann ich an dieser Stelle noch nicht versprechen. Es gibt die Hoffnung, dass wir irgendwann die Hunderttausend-Abonnenten-Marke erreichen und diese magische Hürde überwinden.
Lucas:
Das klingt super! Wir unterstützen euch auf jeden Fall dabei.
Kommen wir jetzt zum Thema Fachkräftemangel, unser Hauptthema hier. Was denkst du kurz und knapp, denn das Thema kann man sicherlich endlos diskutieren, was sollte deiner Meinung nach schnell geändert werden, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken?
Horst:
Ich denke, eines der Hauptprobleme – und es gibt sicherlich eine Vielzahl von Problemen – ist die hohe Einstiegshürde. Die Kosten für den Führerschein sind enorm, und die meisten Privatpersonen können sich das nicht leisten oder wollen es nicht. Dazu kommt der bürokratische Aufwand und die lange Dauer, die damit verbunden sind. Dies hindert viele Unternehmen daran, ihren Mitarbeitern den LKW-Führerschein zu finanzieren. Die Kosten sind hoch und der Prozess ist langwierig. Man muss die Mitarbeiter lange freistellen und Schulungen abhalten. Natürlich verstehe ich, dass nicht jeder einfach so hinter das Lenkrad eines LKW gesetzt werden kann. Dennoch sollte dringend etwas getan werden, um diesen Prozess zu vereinfachen, zu verkürzen und die Anträge schneller zu bearbeiten.
Ein Beispiel: Ich erinnere mich an eine Beantragung für eine Schulung bei der Agentur für Arbeit. Es hat über ein halbes Jahr gedauert, bis wir eine Zusage erhalten haben. In dieser Zeit verlässt vielleicht der ein oder andere Mitarbeiter das Unternehmen. Die gesamte Abwicklung dauert einfach viel zu lang. Das ist meiner Ansicht nach eines der Hauptprobleme.
Ein zweites Problem ist aus meiner Sicht das Thema Wertschätzung. Auch wenn jemand einen LKW-Führerschein hat, lohnt es sich für viele finanziell oft nicht. Sie erhalten ein Gehalt, das dem entspricht, was jemand im Lager verdient oder an der Supermarktkasse. Da stellt sich natürlich die Frage, warum man 10.000€ für den LKW-Führerschein ausgeben sollte, wenn man im Einzelhandel dasselbe verdienen kann. Aus monetärer Sicht ergibt das keinen Sinn. Es braucht Wertschätzung in Form von angemessener Bezahlung, aber auch in der Art und Weise, wie Fahrer behandelt werden. Das Image von LKW-Fahrern ist leider nicht das Beste, daran müssen wir gemeinsam arbeiten, das ist meiner Meinung nach besonders wichtig.
Es geht darum, wie wir mit den Menschen umgehen und wie wir die Bedeutung des Berufs angemessen darstellen. Das sind meiner Meinung nach die Hauptthemen. Ich habe viele Vorstellungsgespräche mit Fahrern geführt und das ist oft das Thema, das immer wieder auftaucht.
Lucas:
Absolut, danke für deine klaren Einblicke in das Thema. Du hattest von Wertschätzung gesprochen. Da ist Punkt Eins das Gehalt. Wie siehst du das? Denkst du, Unternehmen könnten höhere Löhne zahlen? Oder wird es aufgrund von Faktoren wie Mauterhöhungen immer schwieriger für die Unternehmen, mehr zu zahlen?
Horst:
Ich denke, hier tragen wir Logistiker selbst eine gewisse Schuld. Mit dieser Meinung mache ich mir wahrscheinlich nicht nur Freunde. Aber wir müssen sicherstellen, dass wir unsere Dienstleistungen einerseits gut verkaufen und andererseits uns nicht unter Wert veräußern. Ich kenne viele Unternehmer mit 2, 3 oder 4 LKW, und sie akzeptieren Aufträge zu Preisen, die einfach kriminell sind, definitiv ein Verlustgeschäft.
Wenn man mit solchen Preisen arbeitet, ist es offensichtlich, dass man seine Mitarbeiter nicht angemessen bezahlen kann. Dann werden Wege gesucht, Mitarbeiter auf andere Weise zu entlohnen und so weiter. Ich habe zwar keine genauen Informationen dazu, aber das hört man oft. Vielleicht ist das teilweise in der Branche verbreitet, aber ich denke, das ist ein großes Problem, das wir in der Logistik selbst verursacht haben.
Des Weiteren haben wir das Problem, dass viele Verbraucher glauben, dass jeder Transport bei jeder Bestellung grundsätzlich kostenlos sein sollte. Wenn ich bei Amazon ein Paket bestelle und da steht nicht „kostenloser Versand“, sondern es kostet beispielsweise 2,99€, dann wird das Angebot oft abgelehnt. Warum sollte aber jeder Transport kostenlos sein? Wenn ich selbst einkaufen gehe, habe ich Spritkosten, Verschleiß am Auto und investiere meine Zeit. Wenn ich mir etwas liefern lasse, sollte ich dafür bezahlen. Dieses Bewusstsein fehlt oft, dass ein pünktlicher Transport oder ein freundlicher Fahrer seinen Wert hat. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein, aber bei uns wird das oft als etwas angesehen, das nichts kostet. Das ist ein Problem, an dem wir als Logistiker ansetzen müssen.
Lucas:
Absolut. Statistisch gesehen bestellen Kunden häufiger, wenn der Versand kostenlos ist, doch diese Kosten sind oft nur umgelegt. Es handelt sich dabei um ein reales Phänomen.
Horst:
Natürlich wird es verrechnet, aber das Bewusstsein fehlt oft, dass es tatsächlich etwas kostet. Große Unternehmen haben es da leichter, da sie eher bereit sind, mehr zu zahlen. Ein kleiner Unternehmer mit 3 LKW muss sich hingegen mit Frachtenbörsen beschäftigen und mit internationalen Frachtführern konkurrieren. Das ist eine Herausforderung, die oft nicht aufgeht.
Lucas:
Ja, das ist verständlich. Es ist schwierig für jemanden, der nur 3 LKW hat, gegenüber den großen Unternehmen zu bestehen. Das führt uns zum zweiten Punkt, nämlich wie die Fahrer behandelt werden.
Bei einigen Firmen hören wir, dass diese einen Servicebeauftragten beschäftigen, der sich den ganzen Tag um die Fahrer kümmert. Ist das eine mögliche Maßnahme, um den Fahrern einen besseren Alltag zu ermöglichen?
Horst:
Ich denke, es ist keine schlechte Maßnahme. Allerdings sind oft kleinere Gesten und Aufmerksamkeiten wichtiger als ein Servicebeauftragter. Der Beruf des Fahrers ist besonders, da man oft weit weg von Zuhause entfernt ist und gewisse Termine oder Ereignisse verpassen kann. Intelligente Dispositionen können helfen, solche Situationen zu berücksichtigen. Zum Beispiel könnte der Disponent einen Fahrer so einplanen, dass er pünktlich zum Geburtstag seiner Tochter zurück ist, damit er diesen Moment genießen kann. Solche Planungen sind oft wichtiger als ein Anruf beim Fahrer, um nach seinem Befinden zu fragen.
Ich denke viele Fahrer haben sich unter anderem deswegen für den Beruf entschieden, weil sie auch mal ihre Ruhe haben wollen und sich halt nicht den ganzen Tag mit Leuten auseinandersetzen müssen. Ein bisschen freiheitsliebend ist der Fahrer sowieso immer.
Es gibt auch Unternehmen, die für gute Arbeitsbedingungen und ein angenehmes Arbeitsumfeld sorgen, indem sie beispielsweise moderne Fahrzeuge mit guter Ausstattung zur Verfügung stellen. Es ist wichtig, dass Fahrer nicht nur als Arbeitskräfte betrachtet werden, sondern als Menschen, die einen bedeutenden Job erledigen.
Lucas: Absolut, das sind wichtige Aspekte, um den Berufsalltag der Fahrer zu verbessern. Vielen Dank für deine Einblicke und klaren Worte zu diesen Themen. Gibt es denn deiner Meinung nach einen Persönlichkeitstyp, der gut zum Fahrer passt? Wenn man annimmt, dass der Fahrer oft selbstständig unterwegs ist, beispielsweise eher jemand Introvertiertes?
Horst:
Es gibt keine feste Persönlichkeitsart, die ideal für den Beruf des Fahrers ist. Sowohl introvertierte als auch extrovertierte Menschen können erfolgreich in diesem Beruf sein. Es kommt darauf an, wie gut jemand mit den Anforderungen des Berufs zurechtkommt. Also introvertiert, das würde ich jetzt nicht unbedingt sagen.
Lucas: Wenn wir jetzt den Nachwuchs ansprechen: Du hattest ja schon ein paar Aspekte genannt – Freiheit oder Unabhängigkeit – welche Vorteile siehst du im Beruf als Fahrer?
Horst:
Die Vorteile des Berufs hängen von persönlichen Präferenzen ab. Freiheit und das Kennenlernen verschiedener Menschen und Orte sind mögliche Vorteile. Allerdings gibt es auch viele Herausforderungen wie die eingeschränkte Zeit zuhause und persönliche Opfer, die man bringen muss.
Es ist auch schwierig, den Beruf schmackhaft zu machen, da es viele Gründe für den Fahrermangel gibt. Freiheit war früher ein großer Vorteil, aber heutzutage haben Technologien wie Telematiksysteme die Freiheit eingeschränkt. Die Digitalisierung hilft jedoch, die Logistik besser zu planen.
Es gibt viele Hindernisse wie teure Führerscheine, schlechte Parkplatzsituationen und mangelhaft ausgebaute Straßen. Die Löhne steigen proportional zur Inflation, aber in 5 bis 10 Jahren könnten die Löhne für Lkw-Fahrer aufgrund des Mangels an automatisierten LKW überproportional steigen.
Lucas:
Wie siehst du die Lohnentwicklung für Fahrer in den kommenden Jahren?
Horst:
Die Lohnentwicklung wird vom Markt geregelt. Die Löhne für Lkw-Fahrer steigen bereits und werden aufgrund des Mangels an Fahrern voraussichtlich noch weiter steigen. Der Markt wird die Löhne regulieren, da die Opportunitätskosten für das Nicht-Fahren eines LKW deutlich höher sind. Dies wird voraussichtlich auch zu höheren Preisen für die Kunden führen.
Wenn die Unternehmen die gestiegenen Kosten nicht sofort an die Kunden weitergeben können, werden einige Unternehmen Schwierigkeiten haben, zu überleben. Durch die Mauterhöhung ab dem 1.12. werden diese Kosten um mehr als 80% steigen. Unternehmen, die nicht in der Lage sind, diese an ihre Kunden weiterzugeben, werden in roten Zahlen enden und möglicherweise aufgeben. Dies wird zu einer Marktbereinigung führen, bei der die maroden Unternehmen aufhören und diejenigen übrigbleiben, die konkurrenzfähig sind und im Anschluss durch gestiegene Preise auch wieder angemessene Löhne zahlen können.
Lucas:
Das bringst du sehr treffend auf den Punkt, Horst. Märkte und Branchen passen sich ständig an die sich ändernden Bedingungen an.
Hast du noch eine abschließende Nachricht an die Fahrer?
Horst:
Vielen Dank an alle Fahrer, die diesen Beruf ausüben. Ich kann jungen Leuten nicht unbedingt empfehlen, diesen Beruf zu wählen, da er in den letzten 10-20 Jahren an Attraktivität verloren hat. Aber dennoch, danke an jeden Fahrer, der dazu beiträgt, das Land am Laufen zu halten. Die Logistik ist der Klebstoff der Wirtschaft, und ich bin sicher, dass sich die Bedingungen in den kommenden Jahren verbessern werden. Der Fahrermangel wird anhalten, und das wird höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen mit sich bringen. Danke, dass ihr diesen Beruf ausübt.
Lucas:
Das ist eine wichtige Botschaft. Vielen Dank, Horst, für deine Zeit und dein Engagement.